7 Psychotherapiesitzungen für Erwachsene und Kinder
Geschichte 1: Anfang
Im Garten meiner Großmutter
In Großmutters Dorf wuchs nahe dem Zaun eine hohe, knorrige Malve. Sie war kräftig und aufrecht, und ihre Blüten waren alle gleich: rosa, weiß und lila. Die Malve wuchs den ganzen Zaun entlang bis zu Großmutters Haus. Hier, jenseits des Zauns, begann das Reich der schwarzen Johannisbeeren, so üppig, dass ihre Dickichte dunkel und unheimlich wirkten wie ein tiefer Wald.
Um ins Haus zu gelangen, musste man an einen großen Metallriegel an einem riesigen Holztor klopfen, das neben einem hohen Holztor stand, durch das einst ein Pferdewagen gezogen worden war. Dieses Tor war nun von Gras überwuchert, seine Angeln verrostet, und es ließ sich nie öffnen.
Hinter dem Tor begann Großmutters Hof mit zwei Apfelbäumen, der an einer Bank neben einer dunklen, zweistöckigen Blockscheune endete. In dieser Scheune hatten einst Kühe gegrast, dann gackerten Hühner und quiekten Küken, doch nun herrschte Stille. Das Betreten dieser Blockscheune war unheimlich, denn sie war dunkel, roch nach feuchter Erde und wirkte still und leblos.
Hinter dem Haus, auf der sonnenbeschienenen Veranda mit ihrem Eisendach, konnte man mit Wasser und Kreide wie auf einer Tafel malen und mit Puppen spielen. Auch schwarze Johannisbeeren wuchsen hier, und man konnte sich leicht hinter ihnen vor Fremden verstecken, die durch den Zaun gingen, und so tun, als wäre niemand da, bis sie vorbei waren.
Am interessantesten war der Bereich beim Brunnen. Dort standen Fässer, und es war strengstens verboten, sich ihnen zu nähern. In den Fässern wurden Radieschen und Blattgemüse gewaschen, aber im Grunde konnte man alles pflücken und direkt neben dem Beet essen. An heißen Tagen konnte man Wasser zum Spielen und Waschen holen. Abends wurden die Beete mit warmem, sonnenwarmem Wasser aus den Fässern gegossen.
Den ganzen Sommer lang duftete der Garten samtig nach Tomatenblüten, ihr Duft war erfrischend, wann immer jemand vorbeikam. Gurken, glatt und stachelig, hingen stets reif an den Gurkenranken, bereit zum sofortigen Verzehr. Duftende Himbeeren, rote und weiße Johannisbeeren, tropfenförmige Lackkirschen, durchsichtige, pralle Stachelbeeren und rötlicher Sanddorn schmückten den Garten und lockten mit ihren Aromen und Düften. In der hintersten Ecke des Gartens wuchs Schneeball, sein Geschmack seltsam, bitter und unergründlich.
Es gab fast keine Blumen im Garten. Kamille und Ringelblumen säumten den Erdwall zwischen Karotten- und Rübenbeet. Nahe dem dunklen Fenster blühten Nelken, Vergissmeinnicht und Astern. Und neben dem Stachelbeerstrauch thronte die Königin – die Tigerlilie. Stets reckte sie ihren Kopf und ließ sich von den benachbarten Malven nicht überwältigen. Der Sommer war in vollem Gange, die Natur duftete nach Schönheit und Leben, und in diesem Haus herrschte Stille, Ruhe und Kühle wie in einer Kirche. Manchmal konnte man lauschen und das Haus gleichmäßig und bedrohlich atmen hören. Die kleine Alexandra lebte in diesem Haus mit ihrer Patentante. Das Mädchen war glücklich, fröhlich und unbeschwert. Plötzlich erkrankte ihre Patentante und starb, ohne dass man es dem Mädchen sagte. Wenige Tage später kehrte Alexandra in das leere Haus zurück und begriff, dass etwas Schreckliches geschehen war. Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen, und ihr Herz wurde kalt und leblos.
Das Mädchen verließ die Menschen für immer
Von da an hörte das Mädchen auf zu lachen und zu lächeln. Sie war verändert: Sie sah und hörte alles, hatte einen ausgeprägten Geruchs- und Geschmackssinn und konnte weinen, wenn etwas Schlimmes bevorstand. Sie verstand sofort alles über die Menschen, selbst wenn sie schwiegen oder sie kaum kannten. Die Menschen hatten noch nicht angefangen, über sich selbst zu sprechen, aber das kleine Mädchen wusste, was sie hören würde. Sie wusste immer, was passieren würde und wem. Das Mädchen versuchte auch, positiv über die Menschen zu denken, dann würden ihnen gute Dinge widerfahren. Negative Gedanken waren verboten, denn das würde die Menschen in Schwierigkeiten bringen. Eines Tages bemerkten die Kinder dies an Alexandra und sprachen mit den Erwachsenen darüber. Niemand wagte es, dem Kind wehzutun, aber von da an war das Mädchen allein. Alle beschlossen, dass es am besten sei, ihr fernzubleiben, damit ihr nichts Schlimmes zustieß.
Das Leben im Garten ihrer Großmutter ging weiter. Nach dem Sommer folgte ein trister Herbst, ein kalter Winter und ein matschiger Frühling. Von da an war Alexandra immer allein. Doch immer wenn das Mädchen an ihre Patentante dachte, hallte in ihrer Seele das Klingen magischer Glöckchen wider. Denn magische Glöckchen läuteten für jene, die gütig waren und Gutes taten. Dieses Klingen half Alexandra, Menschen zu heilen und sie gütiger oder mutiger zu machen. Der sanfte Klang grüner Glöckchen brachte Gesundheit, und der laute, melodische Klang roter Glöckchen verlieh Kraft und Zuversicht. Gelbe Glöckchen hoben die Stimmung, und blaue halfen bei der Arbeit. Eine wunderschöne Tigerlilie wuchs stets im Garten vor den Fenstern und erinnerte das Mädchen an ihre Patentante, die sie liebte und für immer in ihrem Herzen und ihrer Seele bewahrte.
Geschichte 2: Ich kann lächeln
Ich bin anders
Seit dem Tod ihrer Patentante hatte Alexandra aufgehört zu lachen und zu lächeln. Sie war verändert. Allein lauschte das Mädchen jede Sekunde der Leere des Hauses und versuchte, Schritte zu hören. Lange Zeit herrschte Stille. Jeden Tag saß sie auf einer Bank im hinteren Teil des Hofes und starrte auf das Tor und die kleine Pforte, in der Hoffnung, dass jemand käme und mit ihr sprach. Das ging viele Tage, Wochen und Monate so. Niemand kam.
Alexandra lernte, allein zu sein, viel zu schweigen und jegliche Kommunikation zu vermeiden. Nach und nach begannen Gedanken über alles, was um sie herum geschah, in ihrem kleinen Kopf aufzutauchen. Bald hörte sie deutlich die Stimmen von Gegenständen und Pflanzen: Alles hatte seinen eigenen Charakter, seine eigene Stimmung, seinen eigenen Wunsch. Das kleine Mädchen hatte keine Angst davor; sie genoss es; ihr Leben schien einen Sinn zu haben. Sie fühlte sich, als hätte sie Freunde. Als die Stimmen verstummten, wurde Alexandra wieder traurig und lächelte nicht mehr. Eines Tages, als Alexandra aufwachte, hörte sie jemanden neben ihrem Bett auf dem Boden grummeln. Vorsichtig blickte sie hinüber und sah zwei Schuhe, die sich unterhielten und überlegten, welcher wichtiger sei – der linke oder der rechte. Alexandra fragte höflich (ihre Stimme war heiser von der langen Stille):
„Entschuldigt die Störung. Hallo. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Die beiden Schuhe hielten inne und drehten sich zu ihr um wie zwei kleine Igel mit spitzen Nasen:
„Hallo, Alexandra! Endlich hast du uns bemerkt. Uns geht es gut. Wir überlegen gerade, wer von uns dir am besten helfen kann.“ Das Mädchen freute sich sehr, dass jemand an sie dachte. Ruhig fragte sie:
„Können wir den Morgen zusammen beginnen? Lass uns das Bett machen und uns waschen gehen.“ Als die drei endlich die Spüle erreichten, sagte die etwas rundliche Freundin fröhlich: „Ich habe so lange auf dich gewartet und vermisse dich jetzt schon. Hier sind Zahnbürste und Zahnpasta, und hier ist duftende Seife.“ Wie glücklich Sasha an diesem Morgen war: Sie war nicht allein. Ein Wasserkocher, ein Kochtopf und Küchenutensilien erwarteten sie in der Küche. Der Kleiderschrank lächelte aus jeder Tür und hieß Alexandra freudig willkommen; sie durfte sich jedes beliebige Kleid für den Tag aussuchen.
Endlich fertig, öffnete das Mädchen die Haustür und trat in den wunderschönen Garten. Eine kühle Brise streichelte sie, und der Duft von Ringelblumen stieg ihr in die Nase. Eine prächtige Tigerlilie zwinkerte Sascha aus der Ferne zu. Herrliche, schwere Äpfel, die in der Sonne golden und smaragdgrün schimmerten, streckten ihre Zweige herab und schmückten den Garten wie Christbaumkugeln. Rosa Radieschen, orangefarbene Karotten und burgunderrote Rüben brachten Farbe in den Garten und erfreuten das Auge. Duftender Dung und duftende Petersilie erinnerten sie an ihren würzigen Duft. Die kleinen Füße des Mädchens schritten über die Gartenwege, ihre kleine Herrin begierig darauf, jeden Winkel dieses wunderschönen Reiches zu erkunden. Der Garten war ordentlich und schön, jedes Detail dieses perfekten Bildes.
Der Brunnen und die Zitronenraupe
Alexandra näherte sich dem Brunnen. Er war voll Wasser und sorgfältig mit einem Deckel verschlossen. Zwei Wasserfässer standen daneben. Das Wasser darin glitzerte und funkelte in der Sonne und spiegelte den strahlend blauen Himmel wider.
Plötzlich rief eine dünne Stimme nach dem Mädchen:
„Schnell, hilf mir! Ich kann mich nicht mehr über Wasser halten!“
Alexandra versuchte herauszufinden, wer da piepste, und ihr Blick wanderte von Gegenstand zu Gegenstand, bis sie eine Bewegung auf der Wasseroberfläche bemerkte. Oh, sie sah eine Zitronenraupe, die sich nur noch mit Mühe über Wasser hielt. Okay, sie musste schnell handeln. Sasha rief voller Zuversicht:
„Halt durch, kleine Raupe, ich rette dich jetzt!“
Sasha hob einen kleinen Zweig auf, den sie neben dem Fass auf dem Boden gefunden hatte, und hielt ihn vorsichtig an die Raupe. Die Raupe kroch langsam auf den Zweig, gerettet und wieder zum Leben erweckt. In diesem Augenblick hallte der kristallklare Klang einer gelben Glocke durch den ganzen Garten. Die Stimmung wurde festlich und heiter. Die ganze Nachbarschaft freute sich. Die gelbe Glocke läutete, weil Alexandra etwas Gutes getan hatte – sie hatte eine Raupe aus dem Wasser gerettet. Alles, was man sah, lächelte freudig und erzählte im Chor, was für ein wundervoller Tag es war und wie glücklich man sich schätzte, mit einem so guten Mädchen zusammen zu sein und in diesem wunderschönen Garten zu leben.
Wir alle erinnern uns doch daran, wie bunte Glocken für jene läuteten, die freundlich waren und Gutes taten. Dieser Klang half Alexandra, Menschen zu heilen und sie gütiger oder mutiger zu machen. Der sanfte Klang grüner Glocken brachte Gesundheit, und der laute, melodische Klang roter Glocken schenkte Kraft und Zuversicht. Gelbe Glocken hoben die Stimmung, und blaue halfen bei der Arbeit. Eine wunderschöne Tigerlilie wuchs noch immer vor den Fenstern im Garten und erinnerte das Mädchen an ihre Patentante, die sie liebte und für immer in ihrem Herzen bewahrte.
Märchen 3: Einer unter allen
Ich lebe!
Heute Morgen wachte Alexandra wunderbar gut gelaunt auf, begrüßte die Igelschuhe und winkte mit ihrem Händchen den Wimperngardinen zu. Sie erinnerte sich daran, wie gestern die gelbe Glocke im Garten geläutet und die Rettung der Zitronenraupe verkündet hatte.
